Schiffskoch
Die Kombüsencrew
Ein kleiner Ausflug in den Aufgabenbereich der Kombüse
Jeder Junge träumt einmal davon Feuerwehrmann, Pilot, Lokführer oder Kapitän zu werden.
Mein Traum war es als Matrose um die Welt zu schippern. Leider habe ich mich zu spät beworben (nach der 8. Klasse) und ich sah mich auch schon jeden morgen mit einer Brotbüchse unterm Arm im vollbesetzten stickigen Schichtbus in die Fabrik fahren.
Da gab es dann im Fernsehen die Serie „Zur See“ und ich war sofort von meinem sächsischen Landsmann dem Koch begeistert und für mich stand fest, ich will als Koch zur See fahren. Man hat ja in seinem jugendlichen Leichtsinn keine Vorstellungen vom harten und auch fantastischen Abenteuer Seefahrt!
Die Arbeit in der Kombüse
Neben dem Kapitän ist der wichtigste Mann an Bord, der Koch!
Ich hatte die große Ehre der Gehilfe des eigentlich doch wichtigsten Mannes an Bord zu werden!
Meine erste Aufgabe in der Kombüse war das Schälen von Kartoffeln für ca. 40 Mann! Wer wie ich nur backen kann und von kochen kein blassen Schimmer hat, für den ist das doch schon eine qualifizierte Aufgabe. Nach ca. 3 Stunden war die Schälaktion beendet, inklusive einiger Schnittwunden und der Bemerkung von unserem „Springerkoch“ Ulli:“…das muss aber auf See viel schneller gehen!“
Gepflogenheiten und Bräuche der Seefahrt
Ich hatte das große Glück einen verständnissvollen Koch (Uwe Bratz) an meiner Seite zu haben, der mich in die Gepflogenheiten und Bräuche der christlichen Seefahrt eingearbeitet hat. Denn einiges ist doch ganz anders als an Land. Das geht schon mit den Ausdrücken los. Ein Eimer ist eine „Pütz“, Abfall ist „Fuhlbrass“, Türen sind „Schotten“, Proviantlager sind „Lasten“, Treppen sind „Niedergänge“, die Kantine ist eine „Pantry“, der Speisesaal eine „Messe“, Serviererinnen sind „Stewardessen oder Miezen“ und so weiter. Das gilt auch für die Feiertage. So ist z.B. außer dem normalen Sonntag jeder Donnerstag „Seemannssonntag“. Das bedeutet für den Bäcker Donnerstag und Sonntag Kuchen backen für die „Coffeetime“ Das hieß also Dienstag, Donnerstag und Sonntag war die Nacht so gegen 3 Uhr für mich zu Ende. Nebenbei müssen ja auch noch Brötchen und Brot für genau 42 Besatzungsmitglieder gebacken werden. Bei mir wurde zu jeder Coffeetime ein Wunschkuchen gebacken, d.h. jeder konnte sich mal seinen Lieblingskuchen von mir backen lassen. Das kam auch sehr gut an!(gleich 50,00 Mark der DDR Bordzulage pro Monat für mich)
Verfütterung von Ausschussbrot
Was dagegen gar nicht so gut ankam, war das Brot. Ich bin einfach nicht mit den Verhältnissen in den Tropen klargekommen, mal war der Teig zu locker, mal zu fest, mal konnte man durch die Brote durchsehen, so riesige Löcher hatten die. Erst nach unendlich vielen Testreihen, tonnenweiser Verfütterung von Ausschussbrot an Neptuns Reich und nach säckeweisem Mehlverbrauch (auch kurz vor´m Kollaps meines Koch´s) habe ich dann den richtigen Dreh rausgehabt. Es war ja auch schon peinlich, wenn der Koch das Brot durch die Brotschneidemaschine gejagt hat und am Ende lag nur gekrümeltes in der Brotschale. (Bordzulage wieder gestrichen!)
Der Arbeitstag eines Bäckers
Der Arbeitstag eines Bäckers geht in der Regel 06.30 Uhr los, wenn er nicht backen muss, da hat auch der Koch schon das Frühstück für die Besatzung fertig. An Tagen wo ich backen muss ist es umgedreht und ich habe das Frühstück für die Crew schon gemacht, wenn der Chefkoch die heiligen Hallen betritt. An Sonntagen gibt es meistens zum Frühstück „Eier nach Wahl“. Diese werden dann nach persönlichen Wünschen in der Kombüse zubereitet.
Feierabend ist erst, wenn die Arbeit erledigt ist
In der Regel ist bis zur „Smoketime“ das Essen auf dem Herd und wir genießen auf der Kammer ein Hafenbräu und eine „Club“. Kurz vor dem Ansturm auf die Messen geht das Essen per Fahrstuhl direkt in die Pantry und wird dann von den „Miezen“ serviert. In den Tropen wurde als Nachtisch Eis gereicht, was am Vorabend der Bäcker schon zubereitet hat. Meistens ist so gegen 13.00 Uhr alles abgewaschen (ich) und die Kombüse geschrubbt (wieder ich). An Backtagen habe ich jetzt frei und der Koch geht so gegen 14.30 Uhr wieder in die Kombüse Kaffee kochen für die Coffeetime und anschließend Abendbrot vorbereiten. Ab 19.00 Uhr ist dann die Kombüse dicht. Das heißt aber nicht, dass wir jetzt Feierabend haben, denn ab und zu wartet auch noch ein Lotse auf der Brücke auf seine „Lotsenplatte“ und ab und zu steigen wir in die Eislast hinab, um Eis für die Getränke holen (in den Tropen ganz wichtig!).
Je nach dem wie gut das Team in der Kombüse eingespielt ist, hilft man sich auch außerhalb seiner Arbeitszeiten beim Essen kochen und ganz besonders, wenn es mal wieder was zum feiern gibt (Weihnachten, Ostern etc.) An Abenden wo gegrillt oder geräuchert wurde, kann sich natürlich der Feierabend auch schon mal in den Sonnenaufgang verschieben. Auf einem Schiff zu arbeiten bedeutet, egal welchen Dienstgrad man hat, Feierabend ist erst, wenn die Arbeit erledigt ist.
Auch einem deutschen Kohl wird bei Hitze und Schaukelei schnell schlecht
Neben dem Essenkochen muß der Koch ständig den Bäcker und den Proviant im Auge behalten und notfalls beim Schiffshändler nachbestellen (den Proviant), was besonders in Antwerpen sehr beliebt war, da der Koch dort viel Werbezeug bekam (Feuerzeuge, Kalender mit Frauen ohne was an oder so…), den Speiseplan jede Woche neu gestalten und ständig aufpassen, dass der Bäcker regelmäßig die Lasten feudelt und sauber hält (…habe ich gehasst!). Das Gemüse was wir von der Schiffsversorgung bekamen, war auch nicht immer taufrisch. Ich erinnere mich „gern“ an die Zwiebeln die etwas größer waren wie Stecknadelköpfe (…macht sich gut bei Leber und Zwiebel für über 40 Mann!) und bereits beim Laden einen sehr „fruchtig-feuchten“ Eindruck hinterließen und besonders die Unmengen an Kohl die dann auch in den Tropen sehr schlecht aussahen (ich vermute Malaria oder Hitzeschlag oder Seekrankheit), denn auch einem deutschen Kohl wird bei Hitze und Schaukelei schnell schlecht!
Sollte sich mal der „Kujambel“-Automat verabschiedet haben kochen wir auch noch Tee für die Crew, welcher dann je nach Region und Jahreszeit mit Eis oder heiß serviert wird.
Bis zu einem gewissen Grad Schaukelei kann man noch gut kochen
Ein besonderes Kapitel für jeden Seemann und Koch insbesondere ist die Schaukelei und wie man dabei Essen kochen kann. Besonders „schwer“ beeindruckt war ich immer von den 75 Kilo-Papier-Mehlsäcken, die uns die Schiffsversorgung lieferte. Macht immer sehr viel „Vergnügen“ bei Seegang so einen Sack den Niedergang raufzuhieven.
Nach der alten Seemannsweisheit „…eine Hand für mich und eine für´s Schiff, hieß es hier“ …eine Hand am Sack und eine an der Stange“
Bis zu einem gewissen Grad Schaukelei kann man noch gut kochen. Das heißt bis die Schlingerleisten auf dem Herd den Topf und den Inhalt davon halten. Es gab natürlich auch Situationen, wo auf Grund des Seeganges improvisiert werden musste und die Mahlzeiten als Suppe verabreicht wurden.
Ein in die Freiheit entlassener 50 Liter-Soljankatopf
Besonders in Erinnerung geblieben, ist mir die Überfahrt von China nach Vietnam 1985 als wir mit fast leerem Schiff in einen Taifun gekommen sind. Da hat sich unser großer Kombüsenkühlschrank über Nacht geöffnet und die fürs Frühstück kühl gestellte Soljanka (für Leser aus dem NSW, rote Suppe mit allen Resten aus der Kombüse, schmeckt aber trotzdem sehr gut, wenn die Reste nicht zu alt waren) freigelassen. Ein einmal in die Freiheit entlassener 50 Liter-Soljankatopf konnte bei dem Seegang (Neigung bis 37°) natürlich nichts für sich behalten. Als ich nichts ahnend noch im Halbschlaf gegen 03.00 Uhr die Kombüse betrat bot sich mir ein Bild des Grauens. Ich sah das Schlachtfeld Kombüse, ein Gemetzel im Krieg jeder gegen jeden, Eier gegen Wurst, Soljanka gegen Pflaumenmus, Butter gegen Bier, Milch gegen Bratensoße.
Die Kombüse ursprünglich schön in weiß gehalten, strahlte mich in einem Gemisch aus saftigen Soljankarot versetzt mit einem Hauch Biergelb und Pflaumenmusblau sowie Milchweis an.
Die Schlacht muss gerade zu Ende gewesen sein, denn es herrschte Ruhe auf dem Kriegsschauplatz, alle Beteiligten auch der Soljankatopf waren leer und erschöpft. Jetzt alles wieder einsammeln und zum Frühstück servieren, wollte ich der Besatzung nun doch nicht zumuten.
Also erst mal aufräumen und dann sehen wir weiter!
Ein ähnliches Malheur passierte auch auf einer anderen Reise unseren Miezen, dort verabschiedete sich der Kühlschrank in der Pantry inkl. Wandverankerung und ca. ich glaube 8 – 10 Kästen Bier Inhalt. Neben dem fürchterlichen Rums gab es natürlich auch viel zu feudeln und es stank noch lange wie in einer Brauerei aus der Pantry.
Seekrankheit
Auch das Kapitel Seekrankheit ist unter „Wirtschaftsfachleuten“ sehr ergiebig. Da alle, die das Essen zubereiten weniger an der frischen Luft arbeiten sondern vielmehr auch mal in stickigen Räumen (unsere Klimaanlage in der Kombüse ging nie!), hat man dort mehr Chancen auf Übelkeit (auch manchmal wegen der Ausdünstungen aus dem Speigatt) als an der frischen Seeluft. Manch einem wurde schon übel, wenn der Funker die neue Wetterkarte durch die Messe trug!
Schlusswort
Die Arbeit in der Kombüse hat mir sehr viel Spaß gemacht man hatte ja auch ständig mehr oder weniger schöne Miezen um sich, hatte immer was zu essen und zu trinken und die Obermieze hatte den Schlüssel für alle wichtigen Räume (Transit- und Getränkelast). Als Mitglied der Kombüsencrew hatte man eh´ eine Sonderstellung an Bord.
Ich jedenfalls habe sehr viel gelernt in der Kombüse auch an Gerichten, die ich heute noch selber gern koche, die unser Gaumen noch nicht kannte.
Danke für diese wunderschönen Monate und Jahre an Uwe, Birgit, Dalli, Regina, Lui, Stoni und die, die ich vergessen habe !
Text und Fotos: 2002 © Michael Kretschmar
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